Nicht Schweigen
Umgang mit Erdbeben (äh, Resonanz).
Categories: Reaktionen

Still ist es hier geworden.
Das liegt daran, dass wir dieses Blog in unserer Freizeit führen – und das wir irgendwann das Gefühl hatten, ohnehin nicht mehr gehört zu werden.
Teilweise hatten sich auch Menschen an uns gewandt, die Angst vor (juristischen) Repressionen hatten und uns deshalb baten, das eine oder andere Thema
besser nicht anzusprechen.

Das ist völlig legitim und wir verstehen jede Person, die sich nicht persönlich in den Mittelpunkt rücken möchte. Die Szene (und gerade die (auch ehemalige) Belegschaft des Clubs sind nicht allzugroß, schlussendlich wird es Rückschlüsse auf betreffende (und betroffene) Menschen geben können.

In diesem Kontext sprechen wir auch Amy, die für den frohfroh Artikel (hier verlinkt) verantwortlich war, unsere volle Solidarität aus.
Einen Disclaimer, wie ihr ihn zitiert und im FrohFroh-Artikel vorfindet, sollte keine Person schreiben müssen, vor allem nicht im Kontext der Clubkultur und Awareness.

Konkret: Ich stelle eine professionelle Anfrage an eine der involvierten Parteien und die Kommunikation erfolgt schriftlich per E-Mail. Außerhalb von dieser Kommunikation, in meiner Freizeit und ohne Vorwarnung, werde ich von Einzelpersonen von jener Partei auf meine Recherche angesprochen und unter Druck gesetzt. Ich betone dabei mehrfach, dass ich in diesem Moment nicht über die Recherche sprechen möchte, insbesondere nicht vor Veröffentlichung und nicht in diesem Rahmen – was nicht akzeptiert wird.

Inwieweit habe ich noch Lust und vor allem den Mut, diese Thematik weiterhin zu behandeln und unter meinem Namen einen Artikel zu veröffentlichen? Wenn ich mich mit einer kritischen Recherche als Journalistin in der Clubszene bewege, inwiefern gefährdet das a) meine Freund:innen- und Bekanntschaften und b) mein Dasein als DJ und Veranstalterin? Können es sich Menschen, die nicht anonym bleiben, leisten, unangenehme Themen aufzugreifen und kritische Fragen zu stellen, solange sie Teil der Szene sind und sein möchten?

Auch deshalb wollen wir weiterhin anonym bleiben. Wir bitten, dies zu respektieren und – anstatt unterschiedliche Personen der ehemaligen Mjut-Awarenessteams privat auf social media anzuschreiben und/oder zu blockieren – doch lieber direkte Fragen und Anmerkungen (auch bezüglich unserer angeblichen Widersprüche) per Mail direkt mit uns zu klären.

Wir haben euch von Anfang an den Dialog angeboten, ihr müsstet das Angebot nur nutzen.

Gleichzeitig wollen wir gerne auf das heute erschienene Statement des Mjuts (beziehungsweise die Ankündigung eines in Kürze erscheinenden Statements) eingehen. Wir freuen uns darüber, dass ihr euch offensichtlich intensiv mit den Vorwürfen und internen Problematiken auseinandersetzt. Wir verstehen, dass diese Auseinandersetzung Zeit benötigt und deshalb ein halbes Jahr ohne Reaktion vergehen kann, bevor ein Statement erscheint, das mitteilt, das weitere Zeit benötigt wird. Wir hoffen, nächste Woche die ersten Ergebnisse eurer Auseinandersetzung lesen zu dürfen.
In einem Statement, das damit beginnt, Stellung nehmen zu wollen, erfolgt überraschend wenig Stellungnahme. Dafür wiederholen sich sehr viele Sätze, mit dem gleichen Inhalt, der folgendermaßen zusammengefasst werden könnte: “Wir finden das Thema wichtig, wir haben derzeit interne Schwierigkeiten, ein einheitliches Format zu schaffen, wir werden uns in Kürze mit einem umfangreichen Statement zu Wort melden.” Aber, wie gesagt, wir freuen uns über eure Reaktion.
Eine Auseinandersetzung ist alles, was wir jemals erreichen wollten.

Bezüglich eurer Überforderung, der im Artikel angesprochenen “Destruktivität” unserer Kritik und dem Vorwurf, unsere Form der Kritik würde “utopische Ziele zu realisieren” verunmöglichen, bieten wir euch erneut – wie bisher jedes Mal – unsere Mailadresse unter nichtschweigen@riseup.net an, um uns die bei euch aufgekommenen Fragen persönlich zu stellen. Uns ist auch aufgefallen, dass ihr der Frage, ob ihr die Arbeit, die hinter unserer Analyse und dem Blog steht, als Arbeit anerkennt, mehr oder weniger geschickt ausgewichen seid. Wir nehmen dies zur Kenntnis und stellen hiermit (leicht traurig) fest, dass unser Eindruck “nicht gehört zu werden” der Realität entsprach. Wir sagen das hier nochmal klar und deutlich: Dieses Ding hier zu schreiben, ist eine Chance für euch, an euren Strukturen zu arbeiten. Wir werden dafür nicht bezahlt (aber das sind Teile der Gruppe vom mjut ja ohnehin nicht gewöhnt) und machen das hier, weil uns die Clubkultur und unsere Ideale diesbezüglich (die von euch angesprochene Utopie) entsprechend wichtig sind. Uns ist nicht bewusst, ob euch das klar ist, aber die Auseinandersetzung mit diskriminierenden Strukturen ist psychisch belastend, ebenso die dauerhaften Anfeindungen, denen wir als “Nestbeschmutzer_innen” ausgesetzt sind.

Gleichzeitig wollen wir darauf hinweisen, dass bisher die freundliche, unterwürfige Art, mit der wir versucht haben, Kritik innerhalb der Clubstrukturen zu äußern, im besten Fall belächelt wurde, während jede Form der Kritik, die nicht überaus freundlich und unterwürfig formuliert war, mit dem gleichen Argument, zu destruktiv zu sein, abgeschmettert wurde. Dieses Verhalten nennt sich “tone policing” und hat im politischen Diskurs gegenüber marginalisierten Gruppen leider System. Es kann jedoch auch anders mit wütender Kritik umgegangen werden.

Wir verweisen in diesem Kontext gerne auf eine historische Begebenheit, welche nach außen hin die deutschprachige, zweite Welle des Feminismus einläutete (in Wirklichkeit war diese bereits im Rollen, es fehlte nur noch der entscheidende Impuls, die entscheidende Tomate).
Nachdem die SDS-Vorsitzenden (und der SDS) zum wiederholten Male “das Frauenproblem” (vgl. “die DJ-Debatte”) als “hinter der Revolution zurückstehen müssend (Nebenwiderspruch)” (vgl. “Realisierung utopischer Ziele”) dargestellt hatten, bewarf bei der 23. SDS-Delegiertenversammlung 1968 Sigrid Rüger, nachdem Helke Sanders Rede inhaltlich ignoriert worden war, den SDS-Cheftheoretiker (nach eigener Ansicht) mit Tomaten. Danach wurde anderthalb Tage über das Geschlechterverhältnis im SDS diskutiert.

In einer vergleichbaren Situation im Großplenum flogen keine Tomaten, als es um den Umgang mit “Monis Rache” ging. Stattdessen verließ die betroffene Person den Raum, weil ihre eigene Betroffenheit als Opfer sexualisierter Übergriffigkeit zu unwichtig war, um ihrer Stimmung und ihren Bedürfnissen Gewicht zu geben.

In heutiger Perspektive, mit dem Vorwurf der Destruktivität konfrontiert, bereue ich (eine der schreibenden Personen, ganz individuell) es ein wenig, damals keine Tomaten mitgehabt zu haben.

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