Nicht Schweigen
Wir schreien auf.

Wir, das ist ein Teil eines ehemaligen Mjut-Awarenessteams (mittlerweile gibt es mindestens zwei ehemalige Teams). Wir haben ein Jahr lang geschwiegen, warum wir den Club verlassen haben – wir wollten den Club nicht schädigen, der Ruf des Mjuts war uns wichtiger als unsere persönlichen – und politischen – Differenzen. Dann kam die Pandemie, wir beschlossen, weiter zu schweigen, um solidarisch zu bleiben, um einen wichtigen Ort für linke Subkultur zu erhalten (und die Arbeitsplätze, die daran hingen). Jetzt aber hat sich das Mjut zu “Seximus in der Clubkultur” geäußert  – mit einem Statement, das wir so nicht stehen lassen können. Hier wird sich als “linker Club” positioniert, sich mit Betroffenen solidarisiert – eine Aktion, die im Kontext des Umgangs mit uns, mit Betroffenen von Monis Rache und mit den Strukturen, die sie wahlweise nicht schaffen konnten oder bewusst zerstört haben, wie Hohn, wie ein Feigenblatt mackeriger Selbstimmunisierung erscheint. Und deshalb haben wir uns entschieden, nicht mehr zu schweigen. Das private ist politisch, wir können nicht hinnehmen, dass Feminismus als Feigenblatt des Patriarchats verwendet wird.

Aber fangen wir vom Anfang an. Im Februar 2020 wurde ein Mitglied unseres Teams “gekündigt” – in Anführungszeichen, weil eine Kündigung ohne Arbeitsvertrag und ohne Kooperationsvereinbarung schlecht möglich ist – als einziges Mitglied, als einzige trans Person im Team. Dem vorausgegangen waren Differenzen mit der Clubleitung, die von unangenehmen, manipulativen Gesprächen gefolgt waren, in denen sich acht von elf Personen des Awarenessteams einig waren und geschlossen gegen die Clubleitung stellten. Dabei wurde die teamleitende Person sowohl für “schlechte Stimmung”, als auch “unzureichende Organisation” (und alles, was der Clubleitung missfiel) verantwortlich gemacht – und schlussendlich des Substanzenkonsums während der Arbeitszeit bezichtigt.

Thema dieser Gespräche waren beispielsweise die Anzahl von Personen, die eine Awarenessschicht machten (Clubleitung bevorzugte eine Person aufgrund der Kosten, wir hätten mindestens zwei Personen benötigt, um die Qualität unserer Arbeit sicherstellen zu können), der Umgang des Mjut mit Menschen, die von der sexualisierten Gewalt bei Monis Rache betroffen waren (es gab keinen Umgang), fehlenden Verträgen bezüglich kurzfristige Beschäftigung (wurden monatelang versprochen und dann verworfen, stattdessen wurde auf (Schein)Selbstständigkeit gesetzt) und die Weigerung von Teilen des Teams, ihre Freizeit für bauliche Veränderungen am Club zu opfern und sich nur für Awarenessarbeit zur Verfügung zu stellen.

Wir wollen uns diesem Themen widmen, sie nacheinander aufdröseln, zeitlich einordnen und schlussendlich einer feministischen, strukturellen Analyse unterziehen. Gerade jetzt, wo die Artikel des FrohFroh-Magazins die Leipziger Clubszene aufgerüttelt hat, halten wir es für unvermeidlich, diese Stimmung zu nutzen und statt eines Strohfeuers der Empörung eine langanhaltende Veränderung innerhalb der (Leipziger) Club- und Kulturszene in Bezug auf Feminismus, Transfeindlichkeit und strukturelle wie auch sexualisierte Gewalt anzustoßen.

Falls du eigene Erfahrungen mit Rassismus, Sexismus, Transfeindlichkeit, Antisemitismus und/oder neoliberaler Ausbeutung unter dem Zuckerguss eines “linken” Kollektivs gemacht hast, kannst du dich gerne bei uns unter nichtschweigen@riseup.net melden.
Wir beenden diesen kurzen Einstieg mit einem feministischen Outcall: Das Private IST politisch!

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