Linke Räume sind Freiräume. Frei von kapitalistischer Verwertungslogik, solidarisch, frei von Diskriminierungen. Räume, in denen sich Menschen entwickeln können, frei nach ihren Bedürfnissen, frei nach ihren Fähigkeiten. Oh süße, süße Freiheit – wärst du doch nicht nur eine Lüge.
Freiheit von Diskriminerungen – und das diese derzeit auch in linken Räumen eine Utopie ist, haben wir im ersten Teil behandelt. Doch, sag, wie sieht es um die Freiheit von kapitalistischer Verwertungslogik, um die Solidarität und um die Möglichkeit der freien Entfaltung aus?
Nun. Auch hier mussten wir leider den harten Boden der Realität kennenlernen. In unserer Vorstellung von Awarenessarbeit waren wir immer in mindestens Zweierteams unterwegs, idealerweise mit zwei Personen pro Floor, unterstützt von einem safer clubbing Team.
Wir hätten Rückzugsräume und Ruheräume gehabt, sowohl für unterstützende Gespräche, als auch für Personen, die einfach mehr Ruhe benötigten als “Draußen” oder der Bereich um die Bars/an der Seite der Tanzfläche ihnen geben konnte. Orte, an denen auch im hektischen Clubgeschehen durchatmen mal möglich ist, auch, um neurodiversen Personen die Party zu ermöglichen.
Aber Ideale vertragen sich nicht mit der harten Realität eines Clubs – haben wir gelernt. Eine Awarenessperson pro Schicht für den ganzen Club, eine Ecke im Keller hinter einem Vorhang als Rückzugsort. Die Awareness ist für alles zuständig, das Menschen belasten könnte – sei es übermäßiger (Alkohol)konsum, Trauma oder sexualisierte Gewalt. Falls davon mehrere Dinge zeitgleich auftraten, mussten diese auch parallel bearbeitet werden (notfalls sprang die Security ein, falls dafür gerade Kapazitäten vorhanden waren).
Es gab Abende, da wurde die anwesende Awarenessperson selbst Ziel von sexualisierter Gewalt – aber wenn es keine Möglichkeit gibt, bei sich selbst Hilfe zu suchen, dann müssen die Zähne halt zusammengebissen werden und weitergemacht. Mal fünf Minuten Pause, um sich über die eigene Rolle als betroffene Person klar zu werden? Keine Zeit, die Arbeit geht weiter. Das Klopapier ist leer, eine Person klagt über Schwindel und Kopfschmerzen. Kurz die Augen schließen, öffnen, einatmen, weitermachen.
Awarenessarbeit ist eine psychische und physische Herausforderung. Wir sprechen mit Personen, die gerade potentiell traumatische, in jedem Fall übergriffige Situationen erlebt haben oder in die Erfahrung einer vergangenen Situation getriggert wurden. Wir nehmen uns Zeit, geben der Person Raum oder Nähe, wir versuchen, gemeinsam einen Weg zu finden, dass die Person gestärkt aus dieser Situation herausgehen kann. Wir können nicht ungeschehen machen, was geschehen ist, aber wir können die Bedürfnisse und Wünsche der Betroffenen in den Mittelpunkt rücken und ihnen – so gut wie möglich – die eigene Handlungsfähigkeit zurückgeben.
Das geht allerdings nicht, wenn Awarenessarbeit zur Fließbandarbeit verkommt, die dem Club möglichst wenig Zeit, Kosten, Aufwand und Mühe machen soll, dabei aber den Eindruck erwecken, es würde sich um die Betroffenen gekümmert und der Ort sei ein saferer Space.
Wenn wir eine Toilette für FLINTA wollten – kümmert euch selbst darum. Wenn wir die Auswahl an sexistischen DJs kritisierten, wurde “die DJ-Debatte” als zutiefst störend und lästig wahrgenommen – und dies auch so kommuniziert. Machten wir deutlich, dass die Arbeitsbelastung an und über unsere Grenzen ging, wurden wir ausgelacht – wir täten doch nichts, das bisschen Awareness! Wünschten wir uns klare Strukturen, statt “macht doch Obst und Klopapier und alles andere auch, was so anfällt!” wurde uns fehlende Spontanität und Flexibilität vorgeworfen.
Aber wir waren ja idealistisch. Wir bissen die Zähne zusammen, ignorierten die Überlastung, die roten Flaggen und die warnenden Signale. Bis schlussendlich eine Person aus unserem Team im Krankenhaus lag – und schließlich im künstlichen Koma. Während wir uns Gedanken machten (und Genesungswünsche schickten), ersetzte die Clubleitung kommentarlos den Aufgabenbereich dieser Person und machte ihr Vorwürfe, sich nicht ausreichend engagiert zu haben. Eine andere Person hatte von vornherein die eigenen Grenzen kommuniziert und war seitdem “persona non grata”. Wer nicht bereit war, die eigenen Grenzen zu ignorieren und sich in Freizeit und unbezahlt im Club zu engagieren, war die bezahlte Arbeitszeit – unabhängig von der Qualität – nicht wert.
Schlussendlich eskalierte es, klärende Gespräche (die im nachhinein als “Personalgespräch” deklariert wurden, so viel zu den flachen Hierachien) schafften eher mehr als weniger Hürden. Ein Awarenessteam, das sowohl auf eigene Grenzen, als auch ein Arbeitsumfeld, das der Arbeitslast Sorge trägt, besteht, scheint nicht der richtige Kooperationspartner für diesen Club zu sein. Getroffen hat diese Ablehnung, die kommentarlose Kündigung mittels Chatnachricht dann eine Person, solidarisch waren wir (fast) alle.