Nicht Schweigen
Awareness – was ist das eigentlich?
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Nachdem es letztes Wochenende um die Zukunft (des Mjuts) ging und wir ein wenig entsetzt vor den Streaminggeräten saßen, möchten wir hier nochmal eine kleine Einführung in die Awarenessarbeit geben.

Awareness ist zunächst einmal “Bewusstsein”, alternativ “Achtsamkeit”. In der Awarenessarbeit, entstanden aus radikalen, feministischen Zusammenhängen, geht es darum, sich strukturellen Diskriminierungen bewusst zu sein und entsprechend eingreifen zu können. Zu Beginn ging es ausschließlich um Sexismus und sexualiserte Gewalt, mittlerweile sind viele Personen, die sich in der Awareness engagieren, für unterschiedliche Diskriminierungsstrukturen sensibel – oder sollten es zumindest sein.

Awarenessarbeit bedeutet, sich gemeinsam ein Konzept zu überlegen, was wir tun, wenn nicht alles ecstasy-flauschig ist – (wenn der ganze Abend so ist, ist es fantastisch oder wir haben etwas übersehen). Unsere Arbeit beginnt da, wo der spaßige Teil des Clubbesuchs ein abruptes Ende gefunden hat: bei Diskriminierungserfahrungen.

Wir sind die Leute, die da sind, wenn Menschen sexualisierte Gewalt erfahren haben, rassistisch beleidigt wurden, wenn Betroffene ihre früheren Täter_innen auf der Party treffen, wenn es zu antisemitischen Witze kommt oder wenn trans Personen der Zugang zu korrekten Toiletten verweigert wird. Wir sind da, wenn es hässlich wird – das ist unser Job.

Awareness zu sein, bedeutet, einerseits das erste Auffangnetz für Betroffene zu bilden und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass Täter_innen Konsequenzen erfahren. Awareness hat immer auch mit Macht zu tun und ist entwickelt worden, um strukturell Machtlosen ihre Handlungsfähigkeit zurückzugeben und ein Machtungleichgewicht auszugleichen.

Wir arbeiten nach dem Prinzip der “Definitionsmacht”, das bedeutet, dass wir nicht hinterfragen, ob die beschriebene Situation ein Übergriff war, sondern die Bezeichnungen und Beschreibungen der betroffenen Person(en) akzeptieren. Wir sind keine Richter_innen, keine Staatsanwält_innen – wir sind eine Struktur, die dafür gedacht ist, Betroffenen mehr Handlungsmöglichkeiten zu geben, anstatt sie weiter zu verunsichern.

Das bedeutet, dass Menschen, die Awarenessarbeit machen, sich auch mit den aktuellen Diskursen um Diskriminierungserfahrungen auskennen sollten. Das bedeutet, dass unser Konzept eindeutig und klar sein muss, es bedeutet, dass wir uns regelmäßigen Supervisionen unterziehen müssen (meist intern, im Team, notfalls mit externer Unterstützung).

Wir sind nicht dafür da, dass sich alle Leute im Club “wohl fühlen”. Wir sind dazu da, dass Clubs ein sichererer Raum werden, als sie derzeit sind. Wir sind da, weil das Patriarchat und all die anderen Diskriminierungsformen nicht an der Clubtür abgegeben werden – wir sind die Feuerwehr, die gleichzeitig löscht, wenn es brennt und Brandstifter_innen rauswirft. Wir sind die, die entscheiden  – IMMER in direktem Kontakt zur betroffenen Person – wie mit Täter_innen umgegangen werden soll und welche Wege gehbar sind.

Awareness, das bedeutet, zwangsläufig, unbequem zu sein für jene, die sich in herrschenden Strukturen viel zu wohl fühlen. Eine gute Awareness ist der Stein in deinem Bett, der dafür sorgt, dass du nicht bequem liegen kannst, bis du dafür gesorgt hast, dass es keine Awareness mehr benötigt, bis Diskriminierungsstrukturen abgeschafft sind.

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