Awarenessarbeit – die Vorwürfe der “Partypolizei” gegen den Wunsch, einen sichereren Raum für alle und eine angenehme Parysituation zu schaffen. Einen vollständig sicheren Raum zu schaffen, ist utopisch – und an dem Punkt sind wir noch lange nicht. Aber wir wollten uns Mühe geben, wir wollten Feminismus und Ideale in unsere Clublocation einbringen. Wir hatten uns im Sommer 2019 neu gegründet, mit großen Plänen.
Es gab kein feststehendes Konzept, nach dem sich einheitlich alle Besuchenden, Mitarbeitenden und auch die Awareness richten konnten, deshalb war unser erster Entschluss, ein solches zu erschaffen. Wir wollten klare Strukturen, Richtlinien und Grenzen festlegen, damit sich hinterher kein Mensch mit “das habe ich nicht gewusst” herausreden könnte.
Pustekuchen. Dieser Club sei kein politischer Raum, wir dürfen gerne “kein Sexismus” über die Tür pinseln, aber ansonsten habe sowas hier nichts zu suchen. Es ginge schließlich um Party, um Freiheit, um Spaß.
Dazu zwei Gedanken.
1. “Die Magie der Tür”. Wenn es helfen würde, “kein Sexismus, kein Rassismus, keine Transfeindlichkeit, kein Antisemitismus, kein menschenfeindliches Verhalten” an die Tür zu schreiben, dann wäre das Awarenessteam obsolet. (Ihr erinnert euch an die Utopie der sicheren Räume? Sie wäre damit Realität.) Es würde zwar eine Menge Deko sparen, wenn die jeweiligen Diskriminierungsstrukturen direkt am Eingang als bunter Rauch aus den Ohren und Nasenlöchern der Besuchenden strömen würden – ES IST NUR NICHT REAL. (Außerdem ist ein Schriftzug, der sich riesengroß über einer Tür befindet, von unter der Tür nicht zu lesen. Eine hübsche Metapher für den Elefanten im Raum, der mit einem Feigenblatt bedeckt werden sollte – beinahe symptomatisch für den Umgang des Clubs mit strukturellen Problemen).
2. Der politische Raum. Die Freiheit. Der Spaß. Die böse, böse Partypolizei. *seufz* Seitdem es Awarenessarbeit in ihren Grundzügen gibt (also seit ca. fünfzig Jahren, begonnen mit den Empowerment-Gruppen der Lesbenbewegung der 70er/80er), gibt es die gleichen Argumente dagegen. Schlagworte sind: Lustfeindlichkeit und Verbote, Verbote, Verbote. Nach Konsens zu fragen, da würde eins ja direkt einen ganzen Katalog mitbringen müssen und ohne Vertrag liefe da gar nichts. WIE LUSTFEINDLICH.
Okay. Nun, die BDSM-Community, die sich schon SEHR lange mit dem Konzept Konsens beschäftigt (schon deshalb, weil es rechtliche Probleme riskiert, andere Leute zu verletzen und hinterher “ups, blöd gelaufen” zu sagen), ist nicht unbedingt eine, die als “lustfeindlich” verschrien ist. Gleichzeitig ist es ein Raum, der sehr viel Wert auf Konsens und Einwillung – und auch Einwilligungsfähigkeit von Personen – legt. (Auch hier gibt es Ausnahmen und strukturelle Diskriminierung und Abuse, keine Frage. Dennoch sind die Grundlagen seit Jahrzehnten vorhanden und bekannt.)
Wir sehen also: Konsens und feste Regeln müssen nicht unbedingt dazu führen, dass eine Party weniger Spaß macht. Sie müssen aucht nicht dazu führen, dass alle Menschen ihren 1qm Raum zum Tanzen bekommen, in kleine Käfige gesperrt werden und sich nicht berühren dürfen. (Außer sie wollen es. Das dürfte dann eine sehr einfache Party für die Awareness werden.) Gleichzeitig können sie dafür sorgen, dass die Erfahrungen, die marginalisierte Personen machen, signifikant besser werden. Erfahrungen, dass Menschen dir ungefragt in die Haare fassen (wenn du Schwarz bist), dich am Körper und in intimen Regionen anfassen (wenn du weiblich gelesen bist) oder körperlich und/oder psychisch gewaltvoll werden (wenn du als trans wahrgenommen wirst). Klingt nicht unbedingt, als hätten diese Personengruppen per se Spaß auf Partys, oder? Wenn also Konzepte dafür sorgen, dass ein paar Menschen ihren Spaß verlieren, weil sie zum ersten Mal in ihrem Leben darauf achten müssen, nicht übergriffig gegenüber Dritten zu sein, dann würden wir das keine Lustfeindlichkeit, sondern eine notwendige Lektion nennen.
Das Ende vom Lied war dann, dass wir auf dieses Konzept verzichtet haben und uns nur intern auf Leitlinien einigten. Wir wollten ja, dass es ein sichererer Raum wird und lieber ein Raum mit einem eingeschränkt fähigen Awarenessteam als ohne Awarenessteam. Dachten wir.
Inwiefern diese Hoffnung zerschlagen wurde und warum Awarenessarbeit und die Erwartung des Raubbaus an eigenen Ressourcen dann zum Burnout mindestens einer Person führten, gibt es nächste Woche zu lesen.
Bis dahin: Bleibt gesund und wenn ihr uns etwas zu sagen habt, schreibt an nichtschweigen@riseup.net